Ich bilde mir ein, aus diesem Verfahren eine Menge gelernt zu haben. So kommt bereits dem OLG eine immense Verantwortung zu, denn der BGH ist nicht mehr dazu da, die Tatsachen noch einmal zu überprüfen. In der Revision geht es lediglich darum, nachträglich zu kontrollieren, ob die Vorschriften richtig angewendet wurden. Man kann aber die Vorschriften scheinbar richtig anwenden und trotzdem seine Entscheidung auf falsche Tatsachen stützen.

Wenn die Partei, die Revision einlegt, sich lediglich auf Verfahrensfehler beruft, darf der BGH die Beschwerde ohne Angabe von Gründen zurückweisen (zumindest, sofern er die Auffassung des Klägers nicht teilt oder nicht teilen will). Es ist also zunächst ein Missverständnis, dass es immer zwei Überprüfungsinstanzen gibt. Tatsächlich gibt es meistens nur eine, in diesem Fall also das OLG. Sind nämlich ganz bestimmte Bedingungen nicht gegeben, die ein OLG sicherlich zu vermeiden sucht, ist eine Revision nicht zulässig.  Sollte das OLG also ein Fehlurteil sprechen, entweder weil Fehler menschlich sind oder weil es aus Schlamperei, Zeitnot, Böswilligkeit, Arroganz, Unwissenheit oder in voller Absicht geschieht, hat es gute Chancen, damit durchzukommen, sofern es sich bei der Abfassung des Urteils nicht überaus ungeschickt anstellt. Dass die Revision ausdrücklich zugelassen wird, weil ein Instanzgericht die entsprechende Notwendigkeit erkennt oder ausdrücklich eine höchstrichterliche Überprüfung anregen will, kommt meines Wissens eher selten vor.   

Trotzdem ist es natürlich so, dass eine Revision unter bestimmten Bedingungen zugelassen werden muss. Dies ist u.a. in den §§ 543-545 ZPO geregelt. So ist etwa eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Unter anderem darauf habe ich mich berufen. Das OLG hat nicht nur meine Verfahrensgrundrechte verletzt, sondern sich auch mehrfach gegen die ständige Rechtsprechung des BGH gewandt. Es hätte deshalb die Revision bereits von sich aus zulassen müssen. Und natürlich hätte auch der BGH die Sache allein schon deshalb zur Entscheidung annehmen müssen. Zusätzlich habe ich mich darauf gestützt, dass die Sache von grundsätzlicher Bedeutung ist und die Entscheidung des OLG auf einer Verletzung des Rechts beruht, was jeweils ebenfalls die Zulassung der Revision gebietet. Nach § 546 ZPO ist das Recht dann verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Ich habe hoffentlich hinreichend deutlich gemacht, warum all das – meiner Auffassung nach – nicht nur gegeben, sondern auch ersichtlich war.

Nun habe ich mir sagen lassen, dass der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde zwar ohne Begründung abweisen kann, aber nur, wenn es sich um eine Verfahrensrüge handelt. Wenn dagegen eine Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, ist die Sache wohl nicht ganz so einfach. Geht es also darum, ob das Berufungsgericht einer Partei aus einem bestimmten Grund hätte Recht geben müssen, wäre eine Begründung geboten gewesen. Dies betrifft tatsächlich die meisten der von mir beanstandeten Fehler.

Wenn der BGH also, wie hier geschehen, meine Beschwerde aufgrund von § 544 (6) ZPO ohne Begründung zurückweist, trifft er damit zweierlei Aussagen: (1) Ich habe mich lediglich auf vermeintliche Verfahrensfehler bezogen, und (2) an diesen ist nichts dran. Beide Aussagen sind aber offenkundig falsch (siehe vorstehend). Entsprechend wurde mir nicht nur vom OLG das Recht verweigert, sondern auch vom BGH. Die Selbstkontrolle der Justiz hat hier demnach in geradezu erbärmlicher Weise versagt.

Bestärkt wird dieser Eindruck durch eine Durchsicht anderer Beschlüsse, die der BGH im selben Zeitraum (18.12.2019 bis 30.1.2020) formuliert hat. Am selben Tag etwa, an dem meine eigene Nichtzulassungsbeschwerde ohne jegliche Begründung zurückgewiesen wurde, gab derselbe Senat in sehr ähnlicher personeller Zusammensetzung einer anderen Nichtzulassungsbeschwerde statt (VII ZR 123/17), weil die betroffene Partei hinsichtlich der Entscheidungsgründe erkennbar Entlastendes vorgetragen hatte, sich das Berufungsgericht damit aber überhaupt nicht auseinandergesetzt hatte. Nach Auffassung des Senats verletzte dies den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Das Berufungsgericht hatte die Auffassung vertreten, die Beklagte habe bauliche Mängel mangels Bereitschaft nicht nachbessern wollen, obwohl die Beklagte vorgetragen hatte, eine Nachbesserung sei innerhalb der gesetzten Frist witterungsbedingt gar nicht möglich gewesen. Dem zentralen Entscheidungsgrund, man hätte ja eine Heizung verwenden können, war die Beklagte ausdrücklich entgegen getreten. Weil das Berufungsgericht dies nicht beachtet hatte, war die Revision in diesem Punkt erfolgreich. Liest man den Beschluss bis zum Ende, findet man außerdem noch eine interessante Bemerkung des Senats: Prozessuale Handhabungen seien als objektiv willkürlich zu betrachten, wenn sie in der Zivilprozessordnung gar nicht vorgesehen seien.

Warum dieser Fall, der sich um den Bodenbelag einer Waschanlage drehte (und eben nicht um eine Millionenklage gegen die öffentliche Hand) für den BGH relevanter oder von größerer rechtlicher Bedeutung gewesen sein soll, als mein eigener, erschließt sich mir nicht. Denn auch in meinem Fall fand entscheidungserheblicher Vortrag keinerlei Beachtung. So hatte ich etwa mehrfach dargelegt, dass mir der Auftraggeber allein schon deshalb nicht aus besonderem Grund hätte kündigen dürfen, weil er sich zu diesem Zeitpunkt schon längst in Zahlungsverzug befand. Gleichzeitig wurde auch der einzige Kündigungsgrund, nämlich die angebliche Nichtbeseitigung von Mängeln, durch ein gerichtliches Beweisgutachten nachdrücklich widerlegt. Weil sich das Berufungsgericht dafür aber nicht zu interessieren schien, hätte der BGH auch hier einen offenkundigen Verstoß gegen Art. 103 (1) GG erkennen müssen. Ebenso könnte man fragen, ob es tragbar ist, dass ein Gericht zunächst alle Bedingungen für einen Schadensersatzanspruch darlegt, sie im weiteren Prozessverlauf ausdrücklich feststellt und zusätzlich durch ein gerichtliches Beweisgutachten bestätigt, um dann dennoch aus eigenem Ermessen einen Schadensersatzanspruch zu verneinen, indem es eine realitätsfremde Begründung konstruiert, die keinerlei Rückkopplung im Sachverhalt findet und zudem von keiner der Prozessparteien vorgetragen worden war. Denn sollte eine solche nach vernünftigen Maßstäben gar nicht mehr nachvollziehbare Handhabung der Sache nicht irgendwie von der Zivilprozessordnung abgedeckt sein, hätte der BGH auch einen Verstoß gegen Art. 3 (1) GG feststellen müssen (Willkürverbot), zumindest wenn er seiner eigenen Auffassung im vorstehend geschilderten Fall gefolgt wäre. Trotzdem hat er sich in meinem Fall nicht einmal um eine Begründung bemüht.

Auch unter dem Aktenzeichen VII ZR 175/18 haben exakt dieselben Richter, die meine Nichtzulassungsbeschwerde knappe vier Wochen später ohne Begründung zurückwiesen, beschlossen, dass einer solchen Beschwerde tatsächlich stattzugeben sei, wenn dem Anspruch auf rechtliches Gehör nicht Genüge getan werde. Im dortigen Fall hatte das Berufungsgericht einen unter Beweis gestellten Vortrag eines Verfahrensbeteiligten in keiner Weise erwogen. Dazu kommentierte der Senat folgendes: „Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dieses Gebot verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und – soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft – in den Gründen zu bescheiden.“ Diese Aussage stützte er auf die ständige Rechtsprechung des BGH und führt dazu auch einen aktuellen Beschluss des BGH aus dem Jahr 2019 an. Trotzdem focht ihn offenbar nicht an, dass auch ich zu sämtlichen entscheidungserheblichen Fragen meines Falles Beweisanträge gestellt hatte, die ebenfalls nicht beachtet worden waren. Dabei ging es nicht nur um weitere Fragen zur finanziellen Situation meiner ehemaligen Firma, sondern unter anderem auch darum, ob die Baubeschreibung, die detaillierte Ausführungsanweisungen enthält und ausdrücklich Teil der Vertragsunterlagen war, hätte Beachtung finden müssen. Denn bereits das Landgericht hatte die Baubeschreibung ignoriert, was das Berufungsgericht aber nicht zu stören schien. Auch dies war entscheidungserheblich, weil die Beklagte deshalb ebenso erhebliche wie unbegründete Gegenforderungen mit meinen Werklohnforderungen verrechnen durfte.         

Selbst mit dem Wissen, dass scheinbar ähnliche Fälle unter Umständen nur schwer direkt zu vergleichen sind, drängt sich mir hier der Eindruck auf, dass die Instanzgerichte in meinem Fall erhebliche Rechtsbrüche begangen haben, der VII. Senat des BGH diese aber entweder ignoriert oder mit zweierlei Maß bewertet hat. 

Ich weise darauf hin, dass ich den Beschluss des BGH akzeptiert hätte, wenn sich aus der Begründung nachvollziehbar erschlossen hätte, warum meine Rechtsauffassung aufgrund der VOB und des Bürgerlichen Gesetzbuches falsch sein soll und sich, wie es eben passieren kann, sowohl mein Rechtsbeistand als auch der BGH-Anwalt vollumfänglich geirrt haben. Unter den gegebenen Umständen muss ich mir jedoch die Frage stellen, was der wahre Grund für die Abweisung meiner Nichtzulassungsbeschwerde war. Immerhin können diese Beschwerden nur von dafür zugelassenen BGH-Anwälten eingereicht werden, die dies aber ausdrücklich nur dann tun, wenn sie eine entsprechende Beschwerde selbst vertreten können. Haben wir also tatsächlich so inkompetente BGH-Anwälte, dass nur etwa 20 % der eingereichten Fälle vom BGH zugelassen werden? Meine eigene Theorie ist inzwischen eine andere.

Ich glaube, dass die meisten Fälle tatsächlich zugelassen werden müssten und dann auch eine Abänderung der jeweils angefochtenen Urteile dringend geboten wäre. Gleichzeitig hat aber die Rechtsprechung in Deutschland ein so erbärmliches Niveau erreicht, dass der BGH die Anzahl der Fälle gar nicht mehr bewältigen kann. Entweder kann der BGH also seine Aufgabe objektiv nicht mehr erfüllen, oder er soll es gar nicht mehr (siehe dazu auch weitere Hinweise unter dem Link „Erkenntnisse über den Rechtsstaat“ auf der Bereichsauswahl“). In beiden Fällen würde gelten, dass die Selbstkontrolle der Justiz faktisch nicht mehr existent ist. Die Vorgänge, die ich unter dem Link “Weitere Erfahrungen” zusammengefasst habe, scheinen diesen Eindruck ebenfalls zu bestätigen.

Dass es immerhin noch das Bundesverfassungsgericht gibt, ist nur ein schwacher Trost. Denn dieses legt noch strengere Maßstäbe an als der BGH, bevor eine Sache zur Entscheidung angenommen wird. Rechtsfehler spielen dabei überhaupt keine Rolle mehr. Es geht lediglich darum, ob meine verfassungsmäßig garantierten Grundrechte verletzt wurden. Mit Hinweis auf Art. 3 (1) sowie Artikel 103 (1) GG ist dies hier der Fall. Eigentlich müsste das Bundesverfassungsgericht also tätig werden. Das Problem ist nur, das dies bereits für den BGH gegolten hätte, dennoch aber unbeachtet blieb. Es bleibt abzuwarten, wie die Sache diesmal ausgeht.

Die statistische Erfolgsquote beim Bundesverfassungsgericht liegt übrigens bei 2%, also nochmal eine Größenordnung niedriger als beim BGH. Herzlich willkommen in der Lotterie, die einmal ein Rechtsstaat war.