In diesem Bereich finden Sie das Urteil des Landgerichts Verden vom 24.9.2014 (8 O 189/12) als pdf-Datei, in das Sie bei Interesse gerne Einsicht nehmen können. Ebenfalls finden Sie hier die Auffassung meines Rechtsvertreters in Gestalt der Berufungsbegründung. Darin wird meine Kritik an dem Urteil des Landgerichts vollumfänglich gewürdigt. Lediglich zum besseren Verständnis und für einen schnelleren Überblick fasse ich meine Auffassung wie folgt zusammen:
Zum Zahlungsverzug:
- Die Kammer führt aus, bei der Beurteilung des Zahlungsverzugs komme es maßgeblich auf die fünfte Abschlagsrechnung an, wohingegen dahingestellt bleiben könne, wann die Beträge aus der vierten Abschlagsrechnung fällig gewesen seien. Dies kann aber gerade nicht dahingestellt bleiben. Die Arbeiten wurden nachweislich aufgrund des Zahlungsverzugs hinsichtlich der dritten und vierten Abschlagsrechnung nach Vorankündigung eingestellt. Dass die nicht gezahlten Beträge der vierten Abschlagsrechnung in der fünften Abschlagsrechnung erneut aufgeführt worden waren, ändert daran nichts. Diese Art der Abrechnung entsprach den zusätzlichen Vertragsbedingungen und war somit vertraglich vorgegeben (auch wenn dies von der Kammer ignoriert wurde).
- Die Fälligkeit der fünften Abschlagsrechnung wurde zudem von der Kammer falsch bestimmt, da von ihr drei zusätzliche Tage wegen der “Zustelldauer” berechnet wurden. Dabei war im Verfahren unstreitig geblieben, dass die Abschlagsrechnung der Bauoberleitung persönlich (und gegen Quittung) übergeben worden war. Auch hinsichtlich der fünften Abschlagsrechnung lag daher in Übereinstimmung mit den Vorgaben der VOB Verzug vor. Im späteren Berufungsverfahren wurde ein Zahlungsverzug in erheblicher Höhe vom dortigen Senat nicht mehr bestritten.
- Die Darstellung der Kammer, die Voraussetzungen für eine Arbeitseinstellung nach § 16 Nr. 5 Abs. 5 VOB/B hätten nicht vorgelegen, weil das entsprechende Schreiben meines damaligen Rechtsbeistands angeblich keine Fristsetzung enthalten würde, ist absurd. Denn das betreffende Schreiben verlangt ausdrücklich eine Zahlung in Höhe von fast 80.000,00 € innerhalb von einer Woche. Eine Zahlung innerhalb von einer Woche zu verlangen, beinhaltet erkennbar eine Fristsetzung.
Die Kammer stützte also ihre Auffassung, dass angeblich gar kein Zahlungsverzug vorlag, dass ich deshalb auch zu Unrecht die Arbeiten eingestellt hätte, und dass sich daraus eben kein Schadensersatzanspruch ableiten ließe, maßgeblich auf einen frei erfundenen Sachverhalt, der für jedermann erkennbar falsch war. Dies hat die Kammer trotz deutlichstem Hinweis in ihrer Sachverhaltsdarstellung aber nicht mehr korrigiert (vermutlich, weil sie ansonsten ihr gesamtes Urteil hätte revidieren müssen). Gleichzeitig hat die Kammer aber das entscheidende Versäumnis der Beklagten “übersehen”, nämlich dass diese die vertraglich vorgeschriebene Rechnungsprüfung verweigert hatte und somit nicht nur ein Zahlungsverzug, sondern auch ein vollkommen unbegründeter Einbehalt erheblicher Rechnungsbeträge vorlag. Ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Abschlagsrechnungen kann aber nach ständiger Rechtsprechung des BGH nur Berücksichtigung finden, wenn Einwände gegen die Rechnungen entsprechend kenntlich gemacht wurden. Dass die Beklagte durch ihr Versäumnis nicht nur einen Vertragsbruch begangen, sondern auch deutlich gemacht hatte, dass sie gar nicht mehr vorhatte, ihre Rechnungen zu bezahlen, blieb bei der Urteilsfindung vollkommen unberücksichtigt.
Nur deshalb war es überhaupt möglich, dass der Beklagten das Recht eingeräumt wurde, mir aus außerordentlichem Grund zu kündigen. Dies hatte zur Folge, dass sie eben nicht den gesamten Werklohn (abzüglich ersparter Aufwendungen) schuldig war, sondern mir, im Gegenteil, die Kosten für eine Ersatzvornahme anlasten durfte (da ja eine andere Firma das Projekt beenden musste). Entsprechend konnte die Kammer meinen Anspruch auf restlichen Werklohn mit angeblichen Gegenforderungen der Beklagten verrechnen. Am Ende wurde nur noch ein Betrag zu meinen Gunsten ausgeurteilt, der derart gering war, dass ich die vollen Prozesskosten in ähnlicher Höhe zu tragen hatte.
Auch die angeblichen Gegenforderungen der Beklagten mussten aber erst noch konstruiert werden, da sie sich ja keinesfalls aus dem Beweisgutachten ergaben. Also setzte die Kammer eine neue (und eigentlich unsinnige) Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung an.
Zur Beweiserhebung:
- Grundlegend vertrat die Kammer die Auffassung, aus dem gerichtlichen Beweisverfahren hätten sich Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 20.000 € ergeben, die sich dann aufgrund eines Druckzuschlags (wegen der erhöhten Kosten bei einer Ersatzvornahme) auf über 70.000 € erhöhen würden. Diese Zahlen variieren bereits innerhalb der Urteilsbegründung mehrfach. Keine der dort genannten Zahlen ist aber zutreffend. Denn der Gutachter hatte lediglich 8.700 € an Mängelbeseitigungskosten festgestellt. Davon war aber noch ein Posten abzuziehen, da es sich dabei um eine noch nicht beauftrage weiterführende Leistung (und eben nicht um einen Mangel) handelte. Die verbliebenen gutachterlich festgestellten 4.000 € konnten gar nicht zu einem Zurückbehaltungsrecht führen, da die entsprechenden Leistungen noch gar nicht in die Abschlagsrechnungen Eingang gefunden hatten. Hinzu kommt, dass die Beklagte irgendwann auch die tatsächlichen Kosten für die Ersatzvornahme vorlegen musste, wodurch gerade einmal 2.000 € nachgewiesen waren. Alle weiteren Angaben des Gutachters bezogen sich lediglich auf weiterführende Arbeiten. Selbst das Berufungsgericht hat später darauf hingewiesen, dass zwischen Mängeln und den (wegen der Arbeitsniederlegung) noch nicht fertiggestellten Arbeiten zu unterscheiden sei.
- Dass die Kammer die Ansicht vertrat, die von der Beklagten erstellte Baubeschreibung sei quasi unbeachtlich, ist mit vernünftigen Argumenten überhaupt nicht darstellbar. Denn die Baubeschreibung gehört unstreitig zu den Vertragsdokumenten und enthält detaillierte Ausführungsanweisungen. So besteht der Verdacht, dass die Kammer die Baubeschreibung nur deshalb für unbeachtlich hielt, weil deren Inhalte in krassem Gegensatz zu den Zeugenaussagen der Beklagtenseite stand. Nur unter Missachtung der Baubeschreibung war es etwa möglich, mir beim Abbruch von Betontrögen unsachgemäße (weil nicht erschütterungsfreie) Arbeit zu unterstellen, obwohl die Baubeschreibung vertraglich vorschrieb, den alten Beton mit Hilfe eines Abbruchbaggers durch Hochreißen abzubauen, was niemals erschütterungsfrei erfolgen kann. Meine diesbezüglichen Beweisanträge fanden kein Gehör.
- Trotzdem hätte die Kammer nicht so einfach Gegenforderungen der Beklagten konstruieren können, denn in der Zeugenbefragung stand Aussage gegen Aussage. Daher hat die Kammer meine Zeugen einfach für unglaubwürdig erklärt. Die Zeugen der Beklagten waren für sie dagegen glaubwürdig, obwohl diese nachweislich gegen ihre eigene Baubeschreibung aussagten, teilweise in einem (vermutlich weisungsgebundenen) Dienstverhältnis zur Beklagten standen und sich bei wahrheitsgemäßen Aussagen selbst eklatanter Planungsfehler hätten bezichtigen müssen.
- Mit letzteren wollte sich die Kammer aber offenbar gar nicht auseinandersetzen, denn das Thema Planungsfehler blieb vollkommen unberührt. Dabei hatte die Beklagte mehrfach nachbessern müssen und dazu Zusatzarbeiten beauftragt, dann aber nicht bezahlt. Nach Gutachten und Zeugenbefragung waren diese Zusatzarbeiten – ebenso wie ein Teil der noch nicht fertiggestellte Arbeiten – plötzlich Mängel, die mit meinen Ansprüchen verrechnet werden konnten. Erneut blieben meine Beweisangebote unbeachtet.
Die Kammer hat also nicht nur den Zahlungsverzug als ursächlichen Vertragsbruch ignoriert und dadurch auch die Kündigung der Beklagten gebilligt, sondern so vor allem eine Verrechnung von angeblichen Gegenansprüchen ermöglicht, die weder sachlich noch der Höhe nach gerechtfertigt waren. Anstatt mir also einen Schadensersatzanspruch zuzusprechen, weil meine Firma durch die verweigerte Rechnungsprüfung und die damit einhergehende Zahlungsverweigerung in Insolvenz geriet, hatte faktisch ich Schadensersatz zu leisten, weil die Ersatzvornahme, die die Beklagte aufgrund der Kündigung beauftragen musste, plötzlich meine Schuld gewesen sein soll.
Es gab aber noch einen anderen Sachverhalt, der einen Schadensersatzanspruch gerechtfertigt hätte, nämlich die mangelhafte Finanzierung des Projekts (und somit einen Eingehungsbetrug bei Auftragsvergabe).
Zur Projektfinanzierung:
- Ich konnte aufgrund der Unterlagen einer öffentlichen Ratssitzung beweisen, dass das Projekt sowohl im Jahr der Auftragsvergabe als auch im Folgejahr deutlich unterfinanziert war. Diese Darlegungen hat die Kammer in ihrem Urteil aber durchgängig ignoriert. Ich konnte ebenfalls zeigen, dass es das Projekt bilanztechnisch nie gegeben hatte. Dies erklärte die Kammer mit Argumenten, die den Sinn einer Bilanz erkennbar entgegenstehen und im Übrigen nicht einmal von der Beklagten vorgetragen worden waren. Die Kammer übersah außerdem, dass die Beklagte selbst behauptet hatte, eine Finanzierung von mehr als 20% des Auftragswertes sei aufgrund einer Kreuzungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn nicht nötig gewesen. Die Beklagte selbst hatte also eingeräumt, nicht vollständig finanziert gewesen zu sein. Zusätzlich ergab sich dann später, dass auch die Kreuzungsvereinbarung eine vollständige Finanzierung ausdrücklich voraussetzte. Die Inhalte der Kreuzungsvereinbarung waren der Kammer bekannt.
- Dennoch begründete das deliktische Handeln der Beklagten keinen Schadensersatzanspruch. Im Gegenteil: Nicht der erkennbare Eingehungsbetrug bei Auftragsvergabe, sondern die Tatsache, dass ich diesen bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hatte, sollte nach Auffassung der Kammer das Vertrauen zwischen den Vertragspartnern zerstört haben. Dies sei ein weiterer Grund, warum die Beklagte mir fristlos habe kündigen dürfen.
- Auch dafür, dass die Beklagte mir zu Unrecht eine Viertelmillion Euro für den Brückenüberbau vorenthielt, fand die Kammer eine Erklärung. Denn ihrer Auffassung nach war der Betrag noch nicht fällig, weil ich angeblich keine Sicherheit geleistet hätte. Die Beklagte hatte dazu aber eine Übereignung gefordert, die ich in der Abschlagsrechnung gleich mit angeboten hatte. Zur Übereignung kam es anfangs nur deshalb nicht, weil die Beklagte mehrfach sittenwidrige Übereignungsverträge ohne Zahlungsklausel vorgelegt hatte. Offenbar ging es ihr vor allem darum, die Übereignung zu verzögern, bis sie die nötigen Mittel besorgt hatte. Somit erfolgte eine Teilzahlung erst vier Monate später. Für meine Firma war der Insolvenzfall da schon längst eingetreten.
Für mich überschreitet dieses Urteil erkennbar die Grenze zur strafbaren Rechtsbeugung. Dennoch ist dies noch gar nichts gegen das Verhalten des Berufungsgerichts, das im Folgenden aufgezeigt wird.